26 November 2007

Wie definiert man Armut? Misst man Armut an der fehlenden Einbauküche, an der legeren No-namekleidung? Was versteht man unter Neuer Armut? Meint Armut den unüberschaubaren, unüberwindbaren Schuldenberg, den man gezwungener Massen abzutragen
versucht? Ist Armut wenn man sich Träume nicht erfüllen kann oder wenn man nicht genug zu essen hat? Wenn der Strom und das Telefon abgestellt sind weil die Rechnungen nicht bezahlt wurden? Ist man arm weil man nicht in Urlaub fahren kann oder sich keine Versicherung leistet?

Ich weiss beim Besten Willen nicht was ich sagen soll. Gestern wurde wieder ein Tatort gesendet der die "Neue Armut" zum Thema hatte. Wie schon die eine Folge in der es um das verhungerte Mädchen aus Hamburg ging. Diesmal hatte der Regisseur das Thema vielschichtiger angepackt. Die Thematik nicht nur auf Proleten abgewälzt. Die Tafelläden sind eine feine Sache, wenn auch die Szene mit den meuternden Armen etwas übertrieben daher kam. Aber Hand auf´s Herz, wer denkt schon an Menschen die nicht genug zum Sattwerden haben, wenn er Apfelbäume mit darunterliegenden, verfaulten Äpfeln sieht, die keiner je aufheben wird weil das niemand
mehr nötig hat in unserm Land.
Ich selber hatte auch schon weniger Geld, obwohl mein Einkommen um Einiges grösser war.
Damals hab ich noch diversen Versicherungen das Geld in den Rachen geschmissen, geraucht und getrunken. Und meine Ansprücher waren grösser. Heute fühle ich mich mit dem was ich habe reich. Wissend, dass man sich die wichtigen Dinge nicht kaufen kann. Das muss eine erst mal lernen. Warum ich mich damit beschäftige? Weil der Film die Frage aufwirft, wo stehe ich, bin ich arm? Schon komisch was in den Medien transportiert wird. Vor 20 Jahren hatte z. B. in der Lindenstrasse jede Wohnung eine Einbauküche. Damals fiel mir das auf weil ich keine hatte.
Heute hab ich wieder keine und was wichtig ist, ich brauche keine. Und einen Kaffeautomaten mit allen Schikanen brauche ich auch nicht. Ich brühe meinen Kaffee, wenn ich mal einen für unseren Besuch mache, von Hand. Aber ich bin nicht so ignorant, dass ich sage Armut kommt von Misswirtschaft. Es gibt sie tatsächlich, die Armen, die mit ein paar Cent im Laden stehen und rechnen, ob sie den Liter Milch bezahlen können. Manchmal denke ich aber, dass arm eher armselig meint. Mir ist auch klar, dass ich mit den paar Sätzen das Thema nur unzureichend beschreiben kann. Es beschäftigt mich weiter.

9 Kommentare:

Ravena vom Waldesrand hat gesagt…

Arm? Wer ist hier arm? Richtige Armut kennen wir doch gar nicht. Viele Leben nur nicht richtig. Aber das ist auch so eine Sache... kommt immer drauf an, von welcher Seite man das sieht.
Ich brühe meinen Kaffee auch in der Tasse. Eine Heizung haben wir auch nicht. Bin ich deshalb arm? Nö!!!!! Ganz klares NÖ.
Hauptsache gesund und den Spaß am Leben nicht verlieren!
Jeder ist für sein Leben selber verantwortlich und kann es ändern in jede Richtung.

Sati hat gesagt…

Ergänzung zu Irish:
Ich sah vor zwei/drei Tagen einen Bericht über die "Arche" in Hamburg (Sendezeit um die 0.00 Uhr rum, also am "Randsendeplatz"), eine Einrichtung für Kinder, die dort nach der Schule eine warme Mahlzeit bekommen und dort ein wenig Zuwendung und Aufmerksamkeit empfangen. Die Kinder wurden über ein Jahr lang mit der Kamera begleitet - und auch die Eltern. In diesen Fällen kann ich klar sagen: Das sind sehr arme Kinder. Nicht nur finanziell gesehen - aber auch. Und davon gibt es viele, nur, daß die meisten Leute, die glücklicheweise nicht im Ghetto wohnen, in ihrem Leben keine Berührungspunkte mit dem Elend haben. Keine Berührungspunkte mit der Realität von anderen Menschen zu haben bedeutet aber keinesfalls, daß es in diesem Land keine Armut gibt. Materiell, geistig und seelisch, also umfassend.
Kinder sind noch nicht in der Position, auswählen zu können.
Anuja (der Rabe ist schon über alle Berge, weil ihm die Federn bei diesem Thema ausfallen).

Sati hat gesagt…

PS: Im Taxi siehst du täglich ungezählte Flaschensammler, die mit selbstgebasteltem Spezialwerkzeug in den Containern herumfuchteln. Das sind Fulltime Jobs, ich begegne ihnen bereits um 6 Uhr morgens. Und es werden immer mehr hier in der Stadt, ebenso wie die Zahl der Bettler und der Obdachlosen zunimmt. Gestern eine Demonstration von Ver-di in der City, Slogan "Armut trotz Arbeit" usw. und so fort.

Ich habe selbst wenig Geld zur Verfügung seit Jahren und empfinde mich sicher nicht als arm, allerdings materiell in den vergangenen Jahren sehr beschränkt in meiner Bewegungsfreiheit.

Vielleicht sollten alle mal ein "Hartz-VI-Niveau-Erlebnis-Quartal" absolvieren, bevor sie aus weiter Ferne behaupten,daß es sich doch gut von 349,- Euro im Monat leben und Rechnungen bezahlen läßt.
Explizit weise ich nochmal darauf hin, daß viele Menschen inzwischen harte Arbeit in Fulltime Jobs leisten und kaum mehr als Hartz IV Bezüge erzielen.

Der Spruch "Geld macht nicht glücklich" wird bedauerlicherweise meist falsch ausgelegt in dem Sinne, daß man daher auch kein Geld bräuchte. Geld erleichtert das Leben ungemein und sorgt schlicht für eine Erweiterung der eigenen Möglichkeiten.

Sehr gut gefiel mir, was Luisa Francia kürzlich darüber erwähnte: Geld ist eine Zaubersubstanz. Sie kann viel bewirken und/oder viel zerstören.

Stimmt, Gauzi: Ein weites Feld.
Gruß, Anuja

Anonym hat gesagt…

nicht jeder Mangel an etwas ist automatisch Armut. Das scheinen viele zu vergessen. Was für den einen Mangel ist, ist für den anderen bewusster Verzicht.
Die Definition dessen, was arm sein ausmacht, ist von Person zu Person verschieden.

kvinna hat gesagt…

Es gibt hungernde Kinder in Deutschland. Und DAS ist auf jeden Fall Armut. Aber das Thema ist so breit, uff, so breit ist mein Bildschirm nicht.

Nein, Armut misst sich nicht an Geld. Und nicht an Statussymbolen. Armut ist nicht greifbar.

Genausowenig wie Geld.

Sati hat gesagt…

"Nein, Armut misst sich nicht an Geld." Sory, aber da geht mir wirklich die Hutschnur hoch und das ist genau, was ich meine: Die, die genug zum Leben haben und Armut an Geld nicht kennen, behaupten, Armut messe sich nicht an Geld.
Geld ist in unseren Breitengraden eine lebens-notwenige Substanz, da gibt es überhaupt kein Vertun, seit wir nicht mehr Waren und Dienstleistungen tauschen (bis auf wenige Ausnahmeerscheinungen, die es überall gibt). Hast du Geld, kriegst du was zu essen. Das kann doch nicht so schwer zu verstehen sein.
Natürlich gibt es noch andere Aspekte von Armut - und jede Menge geistige Armut. Aber erst mal muß was zu fressen in den Bauch! Und ein Dach über den Kopf.
Caramba! Anuja

Anonym hat gesagt…

Armut misst sich sehr wohl an Geld! Wenn ich nur minderwertige Nahrungsmittel kaufen kann und die dann auch nur in extrem begrenzten Maße, dann ist das Armut. Wenn ich vor der Wahl stehe, die Stromrechnung zu zahlen oder aber frisches Gemüse zu kaufen und mich dann für eine weitere Woche Nudeln mit Tomatensoße entscheide, dann ist das Armut.
Wenn ich mir Zeitung in die Schuhe lege, weil ein Loch in der Sohle ist und ich mir weder den Schumacher noch neue Schuhe leisten kann, dann ist das Armut.

Und das hat sehr wohl was mit Geld zu tun. Klar, dann gibt es noch die Leute, die sagen, was regst du dich auf, du hast ja noch Schuhe oder du hast wenigstens Nudeln, es gibt Leute, die haben noch nicht mal das...
Und wenn ich in einer Wohnung leben muss, wo die Wände feucht sind und der Schimmel die Wand raufkriecht, weil ich mir keine bessere leisten und finanzieren kann, dann ist das Armut.

Machen wir uns nix vor, das derzeig gültige System von Hartz IV ist Augenwischerei. Ich bezeichne es auch als "frisieren" der Arbeitslosenstatistik. Und die, die entscheiden, was notwendig ist und die Sätze für die Gelder per Verordnung festsetzen, haben den Schuss nicht gehört.

kvinna hat gesagt…

Okay, ich habe mich etwas undifferenziert geäußert.

Und Hunger haben aber das Geld reicht nur noch für Nudeln mit Ketchup, das kenne ich auch!

Was ich eigentlich meinte, war, dass es eben zwei Arten von Armut gibt. Jemand, der finanziell nur schwer über die Runden kommt, kann auf andern Gebieten sehr reich sein und jemand, der über Geld nicht nachdenken muss, kann trotzdem ein armes Würstchen sein.

der Gauzibauz hat gesagt…

Endlich hab ich mich aufgerafft zum PC hin. Irgendwie ist mein Kommunikationsbedürfnis weniger geworden.

Also: Ja es misst sich schon an Geld. Und am Haushalten können. 1 Hartz 4 Empfänger ist beschissen dran, zu zweit sieht es schon besser aus. Ich mein es kann dann billiger für beide gekocht werden. Voraussetzung ist natürlich, dass GRUNDnahrungsmittel wie Mehl, Zucker , Eier usw. im Haus sind.Ich kann mit 5Euro für 4 Leute kochen, mit Suppe, Hauptgericht und nachtisch. Aber das können viele nicht mehr. Bei aller Kritik, aber wenn es in der HartzFamilie 6 oder 7 Personen sind, dann fliesst auch genügend Geld, oder besser gesagt man bekommt soviel Stütze wie ein Mann in seinem Beruf gar nicht verdienen kann in unserem Land. Sowieso versteh ich nicht warum nicht für alle Sparten ein Mindestlohn eingeführt wird.
Wenn mir jemand von einer Woche Nudeln mit Ketchup erzählt kann ich nur den Kopf schütteln. Ich bin in der Lage 5x Nudel in jeweils anderer Version zu machen.
Die da wären: Nudeln gebraten mit Ei, Nudeln gebraten mit Brösel, Nudel mit Tomatensosse, Käsnudeln,
Spaghetti mit Knoblauch - da gehen Leute für ins Restaurant und zahlen teuer Geld. Zu meinen Grundeinkäufen gehört halt auch Käse. Und Kartoffeln gibt es ja auch noch. Meine Mutter hat in den 50ger Jahren Nudeln mit Zucker essen müssen weil sie nix anderes hatte. Vermutlich wird in den Familien auch nicht mehr erzählt wie die alten sich durch die schlechte Zeit gebracht haben. Das ist ein grosser Fehler.

Um nochmal auf den Krimi zurückzu kommen, da wurde auch das "Charity" (UN) wesen angetippt. Das ist auch mal wert zu überdenken, wie die augepflusterten Gesellschaftsdamen zu ihrem Ruhm Spenden eintreiben.