Reflektion der vergangenen Tage und Nächte...
...nun ist er tot. Schon so lange, dass ich gestern an seinem Grab Mühe hatte ihn zu spüren.
Ich fühle keinen Schmerz, keine Trauer. Er fehlt mir nicht. Wie sollte er auch - ich habe ihn ja nie gehabt. Damals als er bei uns wohnte, in diesen vier unsäglichen Jahren, war er auch nicht präsent wie andere Väter es sind. Er war die Woche über auf Montage, ab Donnerstag hatte ich Angstzustände. Er konnte Unmengen von Bier trinken, aber er hat nebenbei immer gearbeitet.
Ich sehe ihn wie er, das Bier wieder ausschwitzend, Bretter herumträgt und irgend einen Schopf baut oder wie er einfach das nächste Stück Wiese umgräbt und Kartoffeln anpflanzt. Ein Bautiger halt und Brachlandaufwerter. Ein Pommer.
Nähe konnte er irgendwie nicht zu lassen. Wenn ich mal auf seiner Sessellehne sass und ihn in den Arm nehmen wollte fragte er mich, wieviel Geld ich von ihm wolle.
Ich habe ihn mein Leben lang gesucht. In einem Lehrer, einem Chef, sogar im jungen Helmut Schmidt. Gefunden hab ich ihn ideell in Eric Burden, optisch in Brian Ferry. (die DVD´s die ich von Roxy Music habe, habe ich aber nicht wegen der Optik Ferry´s gekauft, sondern wegen eines einzigen Lächelns der Percussion-Frau Julia Thornton)
Und natürlich in meinem Mann. Norbert ist die Summe all dessen was ich kenne. Erst mit Norbert bin ich zur Ruhe gekommen.
So hab ich also am Samstag, gleich nach dem Erhalt des Notariatsbriefes, Blumen gekauft. Ich musste etwas tun. Reglos hätte ich es nicht ausgehalten. Gleichzeitig freute ich mich, dass ich endlich die Adresse wenigstens von einem meiner Brüder habe. Ich habe ihm schon gestern geschrieben und bin gespannt ob er antwortet.
Als wir gestern durch Ringschnait fuhren, wir mussten wiedermal suchen, hatte ich ein ganz komisches Gefühl. Angst, dass da überhaupt kein Grab sei. Norbert hat es dann gefunden. Ganz oben, ein Urnengrab in lieblosem Zustand. Der Zustand des Grabes hat mir aber den Zugang zu meinem Vater erleichtert. Ich wurde wütend und fragte ihn laut, ob er DAS so gewollt hatte.
Während ich das Grab von abgestorbenen Blüten, Gras und Spinnweben säuberte sagte ich ihm alles was ich ihm schon lange sagen wollte und nicht konnte. Nebenbei registrierte ich seine Anwesenheit. Eine Flasche Bier, zwei Räucherstäbchen und eine Kerze hatte ich ihm mitgebracht. Er nahm es gerne an. Sogut ich konnte reinigte ich ihn mit dem Gebet das ich auf dem Seminar gelernt habe. Er hat jetzt seinen Frieden.
Von einer Frau, die "zufällig" ans Nachbargrab kam, erfuhr ich, dass er nur drei Tage krank war
und im Krankenhaus zu Biberach allein gestorben war. Er hatte Wasser, es hat ihm das Herz abgedrückt. Wasser, das Synonym für Liebe, zurückgehalten bis zuletzt.
Seit gestern abend habe ich ein gutes Gefühl. Es ist in Ordnung so wie es ist. Nichts steht mehr zwischen uns. Es ist gut.
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